Gemalte Zahlen

Bemalte Nummern

Auf den Gemälden großer Künstler gibt es viele Details zu entdecken, hier sind gerade Zahlen versteckt. Bild über Bild mit gemalten orangefarbenen Zahlen. Bemalte Nummern - aus Inventar-Nummern und Bilderbeschreibungen. Ein forschendes Sammelgebiet für Kunsthistoriker.

In der Frühen Neuzeit heirateten nicht nur die Kunst- und Wunderkammern mit ihrer Vermischung von Artificialia und Natürlichkeit, die heute einer chinesische Enzyklopädie à la Borges ähnelt, sondern auch eine so selbstverständlich anmutende Kulturtheorie, dass sie von der Wissenschaft allzu oft unbemerkt blieb: die Kulturtheorie der Nummerierung, die Sachverhalte mit dem Ziel, sie zu Identifizierbarkeit zu versehen, mit Zahlen belegt.

In Häusern, Pferdekutschen, Briefträgern, wienerischen Polizeisoldaten, Krankenhausbetten und Klängen wurde diese Kultursorte unter anderem eingesetzt, aber auch in den Kunstobjekten der Frühneuzeit. Insbesondere wurden auf Gemälde - oft rückwirkend und ohne die Absicht der Künstler - aus mindestens zwei GrÃ?nden Nummern aufgebracht: Zum einen wurden die im GemÃ?lde abgebildeten Menschen oder GegenstÃ??nde durchnummeriert, um sie in einer dem GemÃ?lde oder seinem Gerippe beigefÃ?gten Sage kennzeichnen zu können; zum anderen wurde dem GemÃ?lde selbst eine Inventar-Nummer gegeben.

Exemplarisch für die Verwendung von Zahlen zu diesem Zwecke kann der bekannte Atlas der Anatomie des Vesalius von 1543 angeführt werden, der mit überhöhten Zahlen die Wirbelsäule oder die Rippchen der dargestellten skelettartigen Teile identifiziert und es ermöglicht, die entsprechende Bezeichnung im Drucktext zu finden (Abb. 1).

Jeweils 1 x 1 x 1 x 1 x Vesalius, Andreas, De humani corporis fabrica libri sept, Basel 1543, S. 57 (Detail). Anscheinend hat diese Erkenntnis der Nummer zur Herstellung von Bild-Text-Relationen eine Begeisterung für Zahlen mit sich gebracht, einen zahlenmäßigen Überschwang, der dazu geführt hat, dass in der Frühneuzeit nicht nur in Illustrationen in BÃ??chern, sondern auch in unabhÃ?ngigen Bilddarstellungen Zahlen beigefügt wurden.

Zwei Frans Hals, Fest der Beamten der Schützengilde St. Georg, 1627 (Detail). Als einer der wenigen Kunsthistoriker, der die Entstehungsgeschichte der frühneuzeitlichen Inventare genauer untersucht hat, differenziert Thomas Ketelsen vier einzelne Praktiken: die Gestaltung eines Raumschemas, d.h. die Darstellung der Räume, in denen sich die denkmalgeschützten Gegenstände wiederfinden.

Daher wurde diese Zahl - wie heute gebräuchlich - auf der Gemälderückseite befestigt, aber das Inventar war nicht immer so diskret: Es gibt viele Exemplare von Inventar-Nummern, die in der Frühneuzeit an der Stirnseite der Bilder befestigt wurden, wie die hier gezeigten Abschnitte aus Bildern im Prädobild beweisen (Abb. 3 und 4).

Ein 3. hieronymischer Bosch, Der Freudengarten, ca. 1500 (Detail). Francisco De Goya, The Shooting of the Insurgents, 1814 (Detail). Bildergalerie in der Stallburg, Band 1, 1720 (Detail). Es ist erwähnenswert, dass die Zuordnung von Zahlen zu Bildern bereits im frühen Verlauf des XVII. Jahrhunderts Gegenstand eines Bildes wurde: Der Trompe-l'oeil Back of a painting (Rugzijde van een schilderij) von Cornelis Gijsbrecht aus der Zeit um 1670 (Kunstmuseum Kopenhagen) stellt die Gemälderückseite samt einer daran befestigten Zahl dar, die so selbst zum Kunstobjekt wird (Abb. 6).

Cornelis Gijsbrechts: Rücken eines Bildes, um 1670 (Detail). Zu den hier diskutierten exemplarischen Fällen könnten noch einige andere hinzugefügt werden; sie sind für eine noch zu schreibende Historie der kulturellen Technik der Nummerierung wesentlich,13 die unter anderem danach fragt, wann die Zahl vom geschriebenen Medium der durchnummerierten Verzeichnisse auf das eigentliche Ziel sprang.